Freitag, September 26, 2008

Fremdwort Recherche oder: warum nachfragen, wenn es sooo gut in den Kram passt?

Bei manchen Geschichten tue ich mir schwer ... lachen, schimpfen, lehrmeistern, schadenfroh sein ...

Zum Beispiel bei dieser: Eine ehemalige Auslandsstudentin schickt ein Mail an Zeitungen und Parteien in Österreich, in dem sie aus einem Artikel der renommierten TIMES zitiert. Dort steht zu lesen, dass die Europäische Union plant, dass aus hygienischen Gründen neben jedem Würstlstandl ein Klo aufgestellt werden müsse ... der endgültige Bericht, steht auf der verlinkten Seite der EU, werde am 28. September publiziert.

Prompt finden sich Berichte zu diesem Thema unter anderem in der Steiermark-Krone, in der Wiener-Krone, in der Gratiszeitung "heute", aber auch in der Wiener Zeitung.

Der Witz daran: die Geschichte ist frei erfunden, eine Ente. Der Standard berichtete darüber.

Ein gefälschter Zeitungsartikel und eine nicht einmal gut gefälschte Webseite der EU reichen aus, um unter anderen Österreichs größte Tageszeitung zu ausführlicher Berichterstattung zu bewegen, die jedes Mindestmaß an qualitätsjournalistischer Arbeitsweise - nämlich aureichende Recherche - vermissen lässt.

Der Zyniker zitiert eine alte Journalistenweisheit: "Ich werde mir eine gute Geschichte doch nicht durch Recherche kaputt machen lassen!"

Der Journalismusforscher findet einmal mehr den Befund bestätigt, dass für ausreichend Recherche vor der Publikation die Zeit und/oder der Wille fehlt.

Und der Grübler fragt sich, wieviele andere Geschichten in wievielen Zeitungen, Zeitschriften, Nachrichtensendungen im Fernsehen sowie auf Online-Nachrichtenportalen genau so zustande kommen; die genauso schlecht recherchiert und falsch sind; nach deren Veröffentlichung sich aber niemand meldet und sagt: "Wir haben der Redaktion eine Ente untergejubelt."

Samstag, September 20, 2008

Einseitige Berichterstattung im Wahlkampf

In den USA ist Wahlkampf, in Österreich ist Wahlkampf. Die Massenmedien sind voll davon. Die Quantität des Publizierten ist unübersehbar - wie ist es aber um die Qualität der Wahlkampfberichterstattung bestellt? In den Vereinigten Staaten offensichtlich nicht besonders gut, wie ein Blogeintrag des Politikexperten der Tageszeitung Kurier, Uwe Schwinghammer, mit dem Untertitel vermittelt: "Der Eindruck einer einseitigen Berichterstattung in diesem Wahlkampf verdichtet sich". Als einen Grund nennt Schwinghammer in dem Eintrag die auffällige und offene Parteinahme für Barack Obama.

Nun sagen Leute, die als Experten für die Innenpolitik in den USA sind, dass es dort nicht ungewöhnlich sei, wenn sich große Publikationen wie die "Los Angeles Times"oder die "Financial Times" ganz offen dazu bekennen, dass sie einen Kandidaten für den Präsidentschaftswahlkampf unterstützen - in diesem Fall Barack Obama.

Im österreichischen Wahlkampf hingegen ist es ein Novum, dass sich eine Tageszeitung ganz offensichtlich für einen Spitzenkandidaten im Nationalratswahlkampf engagiert. Die "Kronen Zeitung" für Werner Faymann, SPÖ: (1), (2),(3), (4).

Hier soll es gar nicht um die Frage gehen, ob eine solche massive mediale Unterstützung für einen Kandidaten letztlich wahlentscheidend ist - der Politologe Peter Filzmaier beispielsweise sieht dafür keinen Beleg.

An dieser Stelle sollen vielmehr Zweifel daran angemeldet werden - für die USA genauso wie für Österreich -, dass die offene oder auch nur offensichtliche Parteinahme für einen Politiker, der sich zur Wahl stellt, mit den (hoffentlich) noch gültigen Parametern journalistischer Arbeit in Einklang zu bringen ist.

Qualitätsjournalismus
verlangt unbeeinflusste, unparteiische, ausgewogene und faire Berichterstattung. Das schafft jene Glaubwürdigkeit, die wir Journalisten uns von unseren Lesern, Sehern, Hörern und Usern wünschen ... auch wenn viele Kollegen diesen Wunsch offensichtlich schon ad acta gelegt haben:
1999 hielten 28 Prozent der US-Journalisten Glaubwürdigkeit für das wichtigste Gut im Journalismus, 2004 waren es nur noch neun Prozent - nachzulesen im US-Jahresbericht für Journalismus. Den Journalisten in den USA ist diese Entwicklung bewusst, nur noch 20 Prozent der Befragten glauben, dass sie gute Arbeit machen. Als Grund nennen sie vorwiegend die schlechten wirtschaftlichen Bedingungen, unter denen sie arbeiten müssen.

Für Österreich fehlen entsprechende Untersuchungen. Was hierzulande aber erhoben wurde ist die Sicht der anderen Seite, wie nämlich Medienkonsumenten die Journalisten einschätzen. Zum Beispiel hat "Reader's Digest " heuer auch unter 1000 Österreichern das Vertrauen in unterschiedliche Berufsgruppen abgefragt. Demnach genießen wir Journalisten das Vertrauen von nur 24 Prozent der Befragten (Politiker liegen mit 8 % immerhin noch schlechter).