Sonntag, Juni 24, 2007

Die falsche Schlussfolgerung

Was bedroht den Qualitätsjournalismus? Das wird in diesen Tagen vielerorts diskutiert (auch ich werde, wie bei den meisten dieser Diskussionen, den Begriff "Qualitätsjournalismus" einfach so stehen lassen, als würden wir uns alle einig sein, was darunter zu verstehen ist ...).

Die Bedrohung für den Qualitätsjournalismus wird also landauf landab diskutiert, so geschehen auch am 6. Juni 2007 in einem Meinungsaustausch über Online-Journalismus beim Media Coffee der dpa-Tochter News Aktuell; unter dem Titel "Edelfedern auch im Online-Zeitalter" berichtete DWDL.de darüber. Über die Auswirkungen des Online-Journalismus steht zu lesen:

"Auch Kuno Haberbusch, Leiter des NDR-Medienmagazins 'Zapp', sieht die Gefahr, dass der investigative Journalismus auf der Strecke zu bleiben drohe. 'Die neue Journalisten-Generation ist mit dem Internet aufgewachsen, die Anforderungen haben sich geändert. Mindeststandards für den Beruf muss es aber weiterhin geben', so Haberbusch."

Das Internet ist in diesem Fall wohl der falsche Prügelknabe. Denn die Mindeststandards für Qualitätsjournalismus werden von vielen Online-Journalisten ja nicht deswegen missachtet, weil sie fürs Internet schreiben. Vielmehr sind es die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in den Redaktionen, die dazu führen. In Ihrer Studie über Nachrichten-Sites im Internet fassen Steffen Range und Roland Schweins diese Rahmenbedingungen in mehreren Thesen so zusamen:
  • "Nachrichten werden im Web nicht nach Wichtigkeit und Relevanz ausgewählt, sondern nach Einschaltquote.
  • Daraus resultiert eine Themenselektion und Gestaltung im vorauseilenden Gehorsam, ausgerichtet an den Bedürfnissen von Suchmaschinen und am Massengeschmack – eine antizipierende, opportunistische und liebedienerische Auswahl, die sich auf technisch begleitetes Ausspionieren der Leser stützt.
  • Die Orientierung an Quote und Massengeschmack bewirkt eine Holzschnittartigkeit und Uniformität der Websites, eine Verarmung der journalistischen Stilformen, eine Manipulationder Leser und Inhalte, eine Überrepräsentation seichter und unterhaltender Themen."

Vor allem Mangel an journalistischem Personal in den Onlineredaktionen, der große Arbeitsdruck, hohe Quoten als einzige Messlatte für den Erfolg, der Druck von PR und Marketing auf die Redaktionen und unzureichende Ausbildung gefährden nicht nur den investigativen Journalismus, sondern alle journalistische Arbeit, die als Qualitätsmerkmal ausreichend umfangreiche Recherche für sich in Anspruch nimmt.

Diese Diagnose gilt nicht nur für den Online-Journalismus. Auch die Journalisten in den Redaktionen der klassischen Massenmedien spüren diese Umklammerung, die dem Qualitätsjournalismus immer mehr den Sauerstoff zum Leben nimmt.

Daher sei ZAPP-Macher Haberbusch entgegen gehalten, dass nicht das Internet den investigativen, den Qualitäts-Journalismus überhaupt gefährdet, sondern das "wackelige Fundament, auf dem die finanziellen Grundlagen des Journalismus stehen" (Weischenberg, Malik). Nur wenn die Redaktionen wieder ausreichend mit Geld ausgestattet werden, dann werden die Mindeststandards für den Journalismus, wie Haberbusch sie zurecht fordert, eingehalten werden können.


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